Ein Requiem für die "Landler".

Roland Girtler: Verbannt und vergessen. Eine untergehende deutschsprachige Kultur in Rumänien. Veritas Verlag, Linz 1992 208 Seiten,öS 298,-

Es war die gütige Landesmutter Maria Theresia, die in einem späten gegenreformatorischen Eifer Hunderte Österreicher deportieren ließ. In ihren Landen sollte es katholisch zugehen, und bekennende Protestanten waren daher unerwünscht. Als die Transmigranten nach Siebenbürgen kamen, lebte dort bereits seit Jahrhunderten eine selbstbewußte und religiös tolerante deutsche Volksgruppe: Sachsen, im 12. Jh. vom ungarischen König Geisa II.ins Land geholt.

Die Nachfahren der österreichischen Landler leben noch heute in Dörfern, die so vertraute Namen tragen wie Großpold, Großau oder Neppendorf. Noch leben sie dort. Roland Girtler (wer sonst?) hat sie besucht und (was sonst?)ein sympatisches Buch über sie verfaßt,das,wie zu befürchten steht, bald auch schon zu einem Requiem für diese traditionsbewußte, gottesfürchtige Bauern- und Handwerkerkultur werden könnte.

Roland Girtler tat, was er am besten kann: Er sprach mit den Menschen, er aß und trank mit ihnen (voll des Lobes über die Küche und den Wein, der für die Landler weit mehr als nur ein Getränk ist), er ließ sich erzählen, und jetzt erzählt er weiter.

Eng und geborgen.

Er erzählt von den alten Bräuchen, die bis in die jüngste Vergangenheit kulturelle Identität vermittelt und bewahrt haben; vom Zusammenhalten und vom Zusammenleben in einer Atmosphäre, die Enge und Geborgenheit zugleich schafft; von den kleinen Schlichen, mit denen die kommunistische Verwaltung übertölpelt wurde; von den Erinnerungen der Alten an ihre Jugend und von den Erwartungen der meist nach Deutschland, seltener nach Österreich auswandernden Jungen.

Das deutsche Siebenbürgen hat über Jahrhunderte hinweg seine Identität bewahrt. Es ist mehr als ein Relikt, es ist ein kultureller Schatz. Während das Europa der Regionen beschworen wird, gehen diese an ebendiesem Europa zugrunde. Ein alter Landler klagt: "Die Abwanderung haben die Politiker in Deutschland verschuldet. Sie haben ....viel gezahlt, um Leute loszukaufen (Anm:bis zu 12.000 DM.). Aber die viel größere Hilfe wäre es gewesen, die Leute hier zu unterstützen. Vielleich schätzt man in fünfzig Jahren erst unsere Kultur".

Das wird dann allerdings schon ein Ausdruck musealen Interesses sein.

Franz Reithmayr.

Der Standart 27. 27./28.Mai 1992.